Good Practice Award für Corona-Maßnahmen

Die “Handlungshilfe Filmproduktion” der BG ETEM erhält Auszeichnung der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit

Die branchenspezifische “Handlungshilfe Filmproduktion” wurde im Mai 2020 von der Berufsgenossenschaft BG ETEM veröffentlicht, um Filmproduktionen in Zeiten der Corona-Pandemie bei der Umsetzung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards zu unterstützen. Die Handlungshilfe wurde seitdem mehrfach aktualisiert. Sie enthält Hinweise und Informationenen zur Unterweisung von Beschäftigten, zum Verhalten z.B. in der Maske oder der Garderobe, beim Umgang mit Requisiten, sowie seit dem Sommer 2020 auch ein spezifisches Stufenkonzept zur Absicherung ungeschützter Tätigkeiten vor der Kamera. Die Handlungshilfe, welche das Ergebnis einer beispielhaften Kooperation zwischen der BG ETEM, der Produzentenallianz und der gewerkeübergreifenden Filmschaffenden-Initiative WirSind1Team ist, bildet seither für Produktionsunternehmen einen rechtssicheren organisatorischen Maßstab für die Umsetzung von Filmarbeiten während der Pandemie, und für Filmschaffende eine wichtige Orientierung zur sicheren Umsetzung der eigenen Tätigkeit.

Diese Handlungshilfe wurde nun auf einem Kongress mit dem “Preis für gute Praxis in Europa 2022” der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit IVSS (englisch: International Social Security Assossiation ISSA) ausgezeichnet, und findet damit Eingang in deren internationale Wissensdatenbank, welche der weltweiten, zielgerichteten Verbreitung von Best Practice Beispielen der sozialen Absicherung dient, und damit der Inspiration für andere Projekte von Trägern der sozialen Sicherheit. Für die BG ETEM ist es das erste Mal, dass sie mit diesem Preis ausgezeichnet wurde.

Die IVSS wurde 1927 unter Federführung der Internationalen Arbeitsorganisation gegründet und hat heute mehr als 320 Mitgliedsinstitutionen aus über 160 Ländern. Sie soll durch Leitlinien ihre Mitglieder weltweit befähigen, dynamische Systeme der sozialen Sicherheit und entsprechende Politik zu entwickeln, und bietet hierfür praktische Dienstleistungen und Unterstützung für Verwaltungen der sozialen Sicherheit an, und fördert innovative Ansätze, um die Verwaltung dabei zu stärken, Risiken vorherzusehen und Veränderung zu steuern.

Die als Unfallversicherer für die freie Filmproduktionswirtschaft zuständige Berufsgenossenschaft BG ETEM hatte die “Handlungshilfe Filmproduktion” zur Nominierung eingericht, weil “allgemein in der Branche und in der Politik anerkannt wurde, dass die Handlungshilfe erfolgreich war und ist: Es gab kein nennenswertes Corona-Geschehen in der Branche und es konnten weiter Filme und Serien in Deutschland produziert werden”, so Christian Sprotte, Pressesprecher und stellvertretender Leiter der Abteilung Kommunikation der BG ETEM gegenüber dem Bundesverband Produktion Film und Fernsehen. Sehr positiv habe die BG ETEM hierbei die Zusammenarbeit mit den Akteuren aus der Branche empfunden, “und wir stellen fest, dass Arbeitsschutz einen höheren Stellenwert bekommen hat.”

Dies wäre in der Tat ein guter Erfolg. “Football’s coming home” möchte man sagen, wenn man bedenkt, dass das System der Berufsgenossenschaften einst als selbstverwalteter Zusammenschluss von Unternehmern begründet wurde, zur Versicherung von “Betriebsunfällen” im Rahmen der Sozialgesetzgebung Otto von Bismarcks von 1884, einem Grundstein der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Auch die spätere Verlagerung des Fokus der Berufsgenossenschaften von der reinen Versicherung hin zur Prävention und zum Gesundheitsschutz erfolgte primär unter den kaufmännischen Gesichtspunkten der Kostenersparnis und Risikominimierung. Für den betrieblichen Gesundheitsschutz, wie für alle sozialen Sicherungssysteme weltweit, waren und sind die Herausforderungen der aktuellen Corona-Pandemie gewaltig.

Es ist an dieser Stelle auch zu betonen, dass der durchgreifende Erfolg des Coronaschutz-Branchenstandards beim Film nicht zuletzt auf den hohen persönlichen Einsatz aller Beteiligten zurückzuführen ist. Dieser wurde im Falle der Mitwirkenden am Corona-Maßnahmenkonzept der Initiative WirSind1Team in Gänze ehrenamtlich erbracht (wir berichteten). Die beiden großen Produzentenverbände steuerten neben Gutachten und Checklisten zur Kostenkalkulation des Corona-Maßnahmenkonzepts vor allem ihre politische Unterstützungsarbeit bei, um die Krisensituation und die Lösungsansätze der Branche auch für die politischen Partner sichtbar zu machen.

Wie ernst die Lage in der Branche genommen wurde, zeigt auch der hohe Prozentsatz von Unternehmen, welche mit einer engmaschigen Teststrategie für alle Mitarbeiter das Schutzkonzept der BG ETEM flankierten, und dabei unter Einsatz nicht unerheblicher Mittel freiwillig weit über die Vorgaben der Corona-Verordnungen von Bund und Ländern hinausgingen. Das wirtschaftliche Risiko, welches ein nicht versicherbarer Ausfall bestimmter Personen für Produzenten bedeutet, war trotz  aller Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und bei allen finanziellen Schutzschirmen immens, und ist dies – trotz mittlerweile gesunkenen individuellen Gesundheitsrisiken – immer noch. Für Filmschaffende stellt die Pandemie heute auch durch Long Covid nach wie vor ein besonderes Risiko dar, da viele Möglichkeiten einer allmählichen beruflichen Wiedereingliederung als Long Covid-Patient in der Filmbranche als schwer praktikabel angesehen werden.

Der Bundesverband Produktion Film und Fernsehen möchte daher an dieser Stelle allen an der Entwicklung der Handlungshilfe Filmproduktion der BG ETEM Beteiligten, und auch allen, die diese Leitlinie in der beruflichen Praxis unter Pandemiebedingungen umsetzen, für Ihre Bemühungen um “Good Practice” danken!

Ausblick auf den Herbst 2022

Im Mai 2022 lief die Corona Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbschV) aus. Eine für den Herbst 2022 geplante Neuauflage dieser Verordnung wird im Kern auf eine Verpflichtung von Unternehmen zu einer fallbezogen Lagebewertung und einer Kontaktreduzierung der Mitarbeitenden auf Basis der bewährten Schutzmaßnahmen, sowie voraussichtlich auf ein verpflichtendes Homeoffice-Angebot abzielen.

Für die BG ETEM rücken nun jedoch wieder die “normalen” Herausforderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Vordergrund. Christian Sprotte von der BG ETEM benennt die größten Baustellen: “Für die Filmbranche ist sicherlich die Absturzsicherung ein Thema. Ebenso der Dauerbrenner der elektrotechnischen Arbeiten am Set und entsprechend qualifiziertes Personal, bei dem aber auch schon große Verbesserungen in den vergangenen Jahren erzielt wurden”.
Dieser Einschätzung schließt sich der Bundesverband Produktion Film und Fernsehen an: Das Thema der Elektrischen Sicherheit bleibt, so berichten unsere Mitglieder, in der Tat ein Dauerbrenner. In einer Gemenge-Lage, welche einerseits von ungenügenden Anreizen für Weiterqualifizierungen innerhalb der Branche sowie von einem fortschreitenden Fachkräftemangel geprägt ist, und sich andererseits das Einsatzfeld elektrotechnischer Installationen an Drehorten stetig verändert, entsteht ein nicht ausreichend gedeckter Qualifizierungsbedarf, welcher sich zunehmend zum Sicherheitsrisiko entwickelt.
Insbesondere zu nennen sind hierbei die Innovationen im Bereich hybrider Stromsysteme mit Speichern, die sich ändernden technische Anforderungen an diese Systeme durch zunehmende Nutzung induktiver Verbraucher, sowie die stetige Verschiebung der Starkstromlast an den Drehorten vom Arbeitsfeld Filmlicht hinüber in das Feld der Aufnahmeleitung.