TTIP – für die Kulturbranche wird es eng

Wer gedacht hat, die Diskussion um das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union würde so langsam zu einem für die Europäische Kultur befriedigendem Konsens führen, hat sich geirrt. Der Bundesverband Produktion ist über die Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände im Deutschen Kulturrat (Sektion  Film/Audiovisuelle Medien) vertreten.
Wir zitieren hier eine Presseerklärung und aus einem Rundbrief des Deutschen Kulturrates zum Thema:

Berlin, den 05.03.2015. Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollen dem Vernehmen nach in diesem Jahr einen Abschluss des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) erreichen.

Jetzt stellen sich u.a. die folgenden Fragen akut:
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass das künstlerfreundliche europäische Urheberrrecht durch TTIP nicht angetastet wird?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Buchpreisbindung dauerhaft trotz eines TTIP-Abkommens erhalten bleibt?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Daseinsvorsorge im Kultur- und Bildungsbereich nach Abschluss des TTIP erhalten und weiterentwickelt werden kann?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass neue Förderinstrumente für den öffentlichen wie den privatwirtschaftlichen Kulturbereich zur Förderung der kulturellen Vielfalt auch nach TTIP noch auf den Weg gebracht werden können?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass der beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk technologieneutral trotz TTIP fortentwickelt werden kann?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass künftige digitale Produktions- und Verbreitungswege für Texte, Töne und Bilder vom TTIP-Abkommen ausgenommen werden?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die USA die “UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen” anerkennt und deren Umsetzung zum Maßstab aller die Kultur berührenden Aspekte des TTIP-Abkommens macht?
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturates, Olaf Zimmermann, sagte: “Die Sorge der Bundesregierung, dass TTIP an den Protesten der Bürger scheitern könnte, führt zu gefährlichen Panikreaktionen. TTIP soll jetzt im Schweinsgalopp bis Ende des Jahres ausverhandelt sein. Bislang haben Experten einen solchen Zeitplan für undurchführbar gehalten. Für den Kulturbereich wird es jetzt eng. Noch ist vollkommen unklar, wie die von TTIP gefährdeten Bereiche effektiv geschützt werden können. Wir erwarten endlich konkrete Vorschläge der Bundesregierung, wie der Kulturbereich vor Schaden bewahrt werden soll.”
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Berlin, den 06.03.2015:

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CDU/CSU-Bundestagsfraktion antwortet dem Deutschen Kulturrat
CDU/CSU: “Kulturrat muss bei TTIP endlich zur Sachdebatte finden”

Berlin, den 06.03.2015. Der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Marco Wanderwitz, MdB und die zuständige Berichterstatterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ute Bertram, MdB erklärten gestern unter Bezug auf die Pressemitteilung des Deutschen Kulturrates “TTIP jetzt im Schweinsgalopp – Für den Kulturbereich wird es eng”, dass die Debatte des Deutschen Kulturrates zu CETA (Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada) und TTIP (Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union) “endlich auf eine sachliche und faktenorientierte Ebene zurückgeführt werden” müsse.

Der Deutsche Kulturrat hatte gefragt, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass das künstlerfreundliche europäische Urheberrecht durch TTIP nicht angetastet wird.

Hierzu gibt es von Marco Wanderwitz und Ute Bertram keine Aussagen.

Der zuständige Berichterstatter und Vorsitzende des Ausschusses für internationalen Handel des Europäischen Parlaments Bernd Lange, MdEP schreibt in seinem Entwurf eines Berichts mit den Empfehlungen des Parlaments an die Kommission zu den Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, dass die EU-Kommission sicherstellen muss, dass das TTIP-Abkommen ein ambitioniertes Kapitel über das Recht des geistigen Eigentums enthält, das ein gerechtes und effizientes Schutzniveau widerspiegelt und die Flexibilität des TRIPS (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums ) bestätigen soll.

Der Deutsche Kulturrat hatte gefragt, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass die Buchpreisbindung dauerhaft trotz eines TTIP-Abkommens erhalten bleibt?

Hierzu erklären Marco Wanderwitz und Ute Bertram, dass die deutsche Buchpreisbindung nicht tangiert sei, da sowohl in- als ausländische Markteilnehmer aufgrund der Inländerbehandlung daran gebunden sind.

Die zuständige Berichterstatterin im Ausschuss für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments Helga Trüpel, MdEP fordert in ihrem Bericht zum o.g. Berichtsentwurf von Bernd Lange, dass die EU-Kommission klarstellen muss, dass die Buchpreisbindung nicht unter die Regeln des TTIP-Abkommens fällt.

Der Deutsche Kulturrat hatte gefragt, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass die Daseinsvorsorge im Kultur- und Bildungsbereich nach Abschluss des TTIP erhalten und weiterentwickelt werden kann?

Hierzu erklären Marco Wanderwitz und Ute Bertram, dass weder TTIP noch CETA innerstaatliche Subventionen in Frage stellen. Die Daseinsvorsorge in Kultur und Medien und die Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleiben weiterhin möglich.

Bernd Lange fordert in seinem Berichtsentwurf die EU-Kommission auf, sicherzustellen, dass es angemessene Ausnahmeregelungen für sensible Dienstleistungen wie öffentliche Dienstleitungen (u.a. Bildung) gibt. Seines Erachtens wäre eine gemeinsame Erklärung der Verhandlungsführer, dass diese Bereiche ausgeklammert werden, sehr hilfreich.

Helga Trüpel fordert die EU-Kommission auf, im Abkommen zu spezifizieren, dass TTIP in den Bereichen Kultur, Bildung und audiovisuelle Medien nicht wirksam ist.

Der Deutsche Kulturrat hatte gefragt, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass neue Förderinstrumente für den öffentlichen wie den privatwirtschaftlichen Kulturbereich zur Förderung der kulturellen Vielfalt auch nach TTIP noch auf den Weg gebracht werden können, dass der beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk technologieneutral trotz TTIP fortentwickelt werden kann, dass künftige digitale Produktions- und Verbreitungswege für Texte, Töne und Bilder vom TTIP-Abkommen ausgenommen werden?

Hierzu erklären Marco Wanderwitz und Ute Bertram, dass audiovisuelle Medien aus dem Dienstleistungskapitel des Verhandlungsmandats ausdrücklich ausgenommen sind und dass die EU-Kommission versichert habe, den USA keine Zusagen für sogenannte neue Dienste zu machen und auch Verhandlungen über sogenannte “digitale Produkte” nicht akzeptieren wird.

Bernd Lange fordert die EU-Kommission auf, zu berücksichtigen, dass die kulturelle und audiovisuelle Vielfalt nicht auf das Spiel gesetzt wird und künftige Bestimmungen und politische Maßnahmen zur Förderung des Kultursektors insbesondere in der digitalen Welt bei den Verhandlungen nicht zur Disposition gestellt werden dürfen.

Helga Trüpel fordert die EU-Kommission auf, sicherzustellen, dass mit Blick auf das Prinzip der Technologieneutralität Verbreitungswege für audivisuelle Dienstleistungen erhalten und weiterentwickelt werden können.

Der Deutsche Kulturrat hatte gefragt, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass die USA die “UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen” anerkennt und deren Umsetzung zum Maßstab aller die Kultur berührenden Aspekte des TTIP-Abkommens macht?

Hierzu erklären Marco Wanderwitz und Ute Bertram, dass die EU anders als die USA die UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt ratifiziert haben und daher an deren Vorgaben gebunden ist.

Helga Trüpel fordert die EU-Kommission auf, mit einer Regelung sicherzustellen, dass die UNESCO-Konvention Anwendung findet und damit die bestehenden Kulturfördermaßnahmen in den Mitgliedstaaten geschützt und weiterentwickelt werden können.

Beim Betrachten der Antworten drängt sich der Verdacht auf, dass offenbar die deutschen Abgeordneten gegenüber den Mitgliedern des Europäischen Parlaments einen großen Informationsvorsprung haben. Denn, was aus Sicht der Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz und Ute Bertram bereits als sicher dargestellt wird, ist offenbar für die Europaabgeordneten Bernd Lange und Helga Trüpel noch längst nicht in den sprichwörtlichen trockenen Tüchern. Ansonsten wäre es auch nicht erforderlich, dass das Europäische Parlament einen Bericht zum aktuellen Verhandlungsstand erarbeitet und seinen Präsidenten beauftragen will, die geplante Entschließung der EU-Kommission, dem Europäischen Rat, den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Kongress der USA zu übermitteln.

Der Deutsche Kulturrat wird daher nicht lockerlassen und sich weiterhin bemühen, Licht in das Dunkel zu TTIP zu bringen. Das ist keine Panikmache, sondern verantwortliche Interessenvertretung.

Die erwähnten Dokumente:

•    TTIP jetzt im Schweinsgalopp – Für den Kulturbereich wird es eng: Bundesregierung muss jetzt endlich konkrete Vorschläge zum Schutz des Kulturbereiches vorlegen (PM des Deutschen Kulturrates vom 05.03.2015)
•    Kulturrat muss bei TTIP endlich zur Sachdebatte finden – Aktuelle Förderpraxis bleibt erhalten (PM des CDU/CSU Bundestagsfraktion vom 05.03.2015)
•    Berichtsentwurf von Bernd Lange, MdEP zu TTIP
•    Berichtsentwurf von Helga Trüpel , MdEP zu TTIP

 

Weitere Informationen zu TTIP:
Dossier mit Pro- und Contra-Beiträgen aus Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates zu TTIP
•    Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu TTIP
•    Informationen zum 21. Mai 2015 “Tag gegen TTIP, CETA und Co.”
Deutscher Kulturrat e.V.
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10117 Berlin
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Verantwortlich: Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates