Neue Methoden im Statusfeststellungs-Verfahren

Ab April ’22 greift eine Neuregelung des § 7a des Sozialgesetzbuches SGB IV

Am 20.Mai 2021 beschloss der Deutsche Bundestag eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens. Es folgt ein Überblick über das neue Verfahren, welches sowohl inhaltlich als auch durch seine fragwürdige Beschlussfassung vielfach kritisiert worden war.

Geplant war eigentlich ein Gesetzentwurf für eine verpflichtende Altersvorsorgepflicht für Selbstständige für Ende 2019. Und noch im November 2020 überraschte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit der Aussage, dass der Gesetzentwurf komme – “verlassen Sie sich darauf”. Mitte April 2021 wurde jedoch klargestellt, dass “eine gesetzgeberische Umsetzung mit der gebotenen Sorgfalt in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich” ist. Die wirtschafts- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung dieses wichtigen Reformvorhabens hätten sich durch die Corona-Krise massiv geändert.

Was die Krise auf jeden Fall zeigte, war, wie wichtig soziale Sicherungssysteme sind, und wie schwer die Schutzlücken für Selbstständige ad hoc zu schliessen waren – wie schwer man die Zielgruppe erreichen konnte.

Die begonnene politische Diskussion wird also in der neuen Wahlperiode mit neuer Regierung eine Fortsetzung finden. Heißt es doch im Koalitionsvertrag: “Wir werden für alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit einführen. Selbstständige sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt-Outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen”.

Parlamentarismus “light” und die Folgen

Die politische Diskussion um ein vereinfachtes Statusfeststellungsverfahren hingegen endete, bevor sie eigentlich begann. Die Reform wurde im Mai 2021 in einem parlamentarischen Eilverfahren innerhalb weniger Tage einem Gesetz zur Verbesserung der Barrierefreiheit hinzugefügt (im nicht unüblichen, sogenannten “Omnibus-Verfahren”), und mit den Stimmen der Großen Koalition sowohl im zuständigen Parlamentsausschuss,  ohne die übliche Zeit für ein Anhörungsverfahren, als auch im Plenum beschlossen.

Allein schon in den vom zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales veröffentlichten Stellungnahmen von Verbänden und Organisationen hagelte es daher Kritik. Und es ist durchaus bemerkenswert, dass auch die dem Beschluss nachfolgende die Kritik der verschiedenen Verbände von fundamentalen systemischen Einwänden bis hin zu Einzeleinwänden gegen unglücklich und unpräzise formulierte Maßgaben reichte, und dass sie teils bereits Heilungs-Vorschläge solcher Unzulänglichkeiten enthielt. Sie waren aufgrund des schnellen Beschlussverfahrens ungehört geblieben.

Systemwechsel ohne Systemwechsel

Die Reform des Statusfeststellungsverfahren wurde noch am 13. April 2021 öffentlich als Maßnahme im Bemühen um den Bürokratieabbau bezeichnet.
Doch ein erkennbarer Systemwechsel in der Praxis der Statusfeststellung lässt erkennen, dass dieser Reform ein übergeordneter Sozialversicherungs-Kontext quasi “auf dem Weg” abhandengekommen war, nämlich die oben genannte Reform im Bereich der Renten- und Sozialversicherung von Selbstständigen.

Das Statusfeststellungsverfahren wird nunmehr zwar dynamisiert und beschleunigt, es verliert jedoch, so die Kritiker, im bestehenden Kontext seinen “bescheidenen Rest von Sinnhaftigkeit”. Sein Sinn lag darin, immerhin ein starkes Indiz für einen sozialversicherungsrechtlich einwandfreien Umgang mit den gegenständlichen Fällen zu liefern. Dieses Indiz wird nun weiter verwässert. Der DGB bemängelte sogar, dass mit dem neuen Gesetz quasi eine Blaupause für die Verschleierung von Scheinselbstständigkeit geschaffen wurde.

Was genau ändert sich nun am Statusfeststellungsverfahren?

  • Einführung der bisher ausgeschlossenen “Elementenfeststellung”: Der Fokus vom bisherigen Gegenstand einer “Versicherungs- und Beitragspflichtfeststellung” verengt sich künftig auf die bloße Feststellung des Tatbestandsmerkmals der “Beschäftigung”.
  • Einbeziehung von Dreiecksverhältnissen bei Arbeitnehmer-Überlassung
  • Einführung von Prognose-Entscheidungen. Die Vertragsgestaltung gewinnt den Ausschlag gegenüber der realen Vertrags-Durchführung.
  • Einführung von Gruppenfeststellungen (Statusbescheide erweitern ihre Gültigkeit auf “gleiche Vertragsfälle”)
  • Einführung einer mündlichen Anhörung im Widerspruchsverfahren

Die meisten dieser Punkte sind zweifellos dazu geeignet, im konkreten Einzelfall ein langes und aufwendiges Statusfeststellungsverfahren zu entlasten, zu vereinfachen oder (im Falle der Dreicksverhältnisse) sogar zu vermeiden. Dies geht jedoch auf Kosten der Genauigkeit der jeweiligen Fallkriterien und der letzlichen Aussagekraft eines Statusbefundes. Die AOK schreibt hierzu: “Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund im Einzelfall auf selbstständige Tätigkeit, prüft der zuständige Rentenversicherungsträger, ob Rentenversicherungspflicht als Selbstständiger eintreten kann.” Dies war bisher, ebenso wie die Feststellung des zuständigen SV-Trägers, automatisch Bestandteil eines Statusbescheids. Zukünftig wird der Empfänger eines solchen Statusbefundes im Nachgang diese Prüfung beim richtigen SV-Träger veranlassen müssen. Von einem Bürokratieabbau für die Vertragspartner kann also nur die Rede sein, falls das Ergebnis der Statusprüfung das Vorliegen einer Beschäftigung ist.

“Hauptschwierigkeit bleibt weiterhin, dass die Kriterien für die Annahme einer Beschäftigung gesetzlich kaum definiert sind und damit für Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte erhebliche Auslegungsspielräume bestehen. Daran und der Folge, dass eine Entscheidung im Statusfeststellungsverfahren häufig schwer prognostizierbar bleibt, ändert sich nichts. Die zahlreichen Unklarheiten und Hintertüren in den Neuregelungen sind auch nicht geeignet, das historisch gewachsene Misstrauen gegen das Statusfeststellungsverfahren zu beseitigen.” (Zitat Loschelder Rechtsanwälte, Köln)

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft fasst ihre Stellungnahme wie folgt zusammen: “Ein praxisnahes und gleichzeitig rechtssicheres Verfahren zur Statusfeststellung zu erreichen (…) wird unserer Auffassung nach durch die aktuell vorgeschlagene Maßnahme nicht erreicht.”

Zuständig für die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens ist die Clearingstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Regelungen treten zum 1. April 2022 in Kraft. Wesentliche Teile der Reform gelten zur Erprobung zeitlich begrenzt bis zum 30. Juni 2027.

Bei Unsicherheiten in konkreten Einzelfällen (also bei Vorliegen tatsächlicher Gegebenheiten) können Arbeitgeber im regionalen Fachportal-Expertenforum der AOK Hinweise hinsichtlich der Vorgangsweise einholen.
Eine Fachbroschüre der AOK zum Thema findet sich unten als PDF-Download.

Kritische fachliche Auseinandersetzungen mit § 7a SGB IV (neu) finden sich beispielsweise bei:
Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. (Ausgabe 2-3/2021)
Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschlands e.V. (VGSD) (Beitrag vom 03. Juni 2021)