Corona-ArbSchV: Roter Teppich für Corona-Impfungen

Corona-Politik im Windschatten der Bundestagswahl

Wie zu erwarten war, verlängert die Bundesregierung mit Beschluss vom 01.September 2021 die Corona-ArbSchV, welche in der zuletzt gültigen Fassung vom 25.Juni 2021 bis zum 10.September befristet war, nunmehr bis zum 24.November 2021.
Der als Beschlussvorlage dienende Referenten-Entwurf steht am Ende dieses Beitrags zum Download bereit – ihm sind in kompakter Form die konkreten Änderungen zur bisherigen Fassung der Verordnung zu entnehmen.
Diese Änderungen sind in der Tat überschaubar. Lediglich dem Wahlkampf scheint man zu verdanken, dass hierüber umfänglich in den Tagesnachrichten berichtet wurde: Arbeitgeber müssen Corona-Impfungen während der Arbeitszeit zulassen, und sie müssen (sic!) Arbeitnehmer “über die Gesundheitsgefährdung bei der Erkrankung an der Coronavirus-Krankheit-2019 und über die Möglichkeit einer Schutzimpfung” informieren.

Wahlkampf in Zeiten der Pandemie und in Zeiten des Klimawandels – beides ist, so kann man bereits jetzt sagen, kein Vergnügen und der Sache nur bedingt dienlich.
Doch immerhin kann zumindest der amtierende Arbeitsminister einer halbwegs geebneten “Roadmap” folgen. In der laufenden Diskussion rund um Impfpflichten und Impfstatus-Auskunftpflichten liefert sein Ministerium fristgerecht und noch vor der Wahl und den ggf. folgenden, langwierigen Koalitionsverhandlungen  Das ist nicht zu unterschätzen!

Denn anders als die wahlkampfbedingten “Talkshow”-Sticheleien zwischen Arbeits- und Gesundheitsminister suggerieren, ebnet die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung von der Presse übersehen, still und leise  dem Einzug von Impfungen in den betrieblichen Arbeitsschutz zumindest politisch den Weg. Denn mitnichten werden lediglich die Arbeitgeber dazu “verdonnert”, die Zeiten für Impfungen wie Arbeitszeit zu vergüten.
Vielmehr wird der Verordnung ein Satz hinzugefügt, welcher das Ergebnis der laufenden Debatte über das Fragerecht der Arbeitgeber zum Impfstatus ihrer Mitarbeiter bereits politisch vorwegnimmt.
Bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes kann der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen.” (§2 Abs.1 Satz 4 Corona-ArbSchV)

Das professionelle Entrüstungskonzert der Arbeitgeberverände offenbart, dass auch dieser scheinbare Freibrief zwar politisch gutgemeint und einwandfrei, in der Praxis jedoch zumindest in der derzeitigen rechtlichen Grundsituation nicht als zielführend goutiert wird. Die rechtliche Grundlage hierzu bildet das Infektionsschutzgesetz – denn hier sind bereits jetzt rechtliche Ausnahmen und erweiterte Rahmensetzungen definiert, und dieses Gesetz untersteht naturgemäß dem Gesundheitsressort.

Doch in den bisherigen Gesetzen und Verordnungen kommt eine Aussage sehr klar zum Ausdruck:
Die erheblichen Zweifel hinsichtlich der grundlegenden Voraussetzungen zur allgemeinen Nutzung von Impfungen und Impf-Erhebungen durch die Privatwirtschaft sind keinesfalls ausgeräumt (siehe auch den Beitrag “Die neue Risikogruppe”).

[Update 03.09.2021]: Gesundheitsminister Jens Spahn gibt am 03.September bekannt, dass das bereits vorbestehende Auskunfsrecht in Krankenhäusern für Beschäftigte mit Patientenkontakt lt. Einigung der Regierungskoalition auf weitere konkrete Berufsgruppen ausgedehnt werden soll – gemeint sind (zur Zeit) Beschäftigte in Schulen, in Kitas und in der Pflege, also Bereiche, in denen “besonders vulnerable Personengruppen betreut werden oder untergebracht sind beziehungsweise aufgrund der räumlichen Nähe zahlreiche Menschen einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind”, und klar ist, dass diese Änderung ausschließlich für Zeiten einer Pandemielage gelten soll. Dieser Beschluss betrifft also eine Ergänzung des §23 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), in welchem die Berufsgruppen explizit genannt sind, die einer expliziten Ausnahme von der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterliegen sollen. Eine Ausdehnung über diese Berufsgruppen hinaus ist aus Sicht des Gesundheitsministers zwar wünschenswert, doch gäbe es dafür “aktuell keine Mehrheit im Parlament“.

Es ist anzunehmen, dass ein Grund hierfür darin zu suchen ist, dass die Intention der Privatwirtschaft auch in den Statements ihrer Verbände gänzlich unklar bleibt. Im Zweifel geht es ums Geld, klar – doch das wären ja im Angesicht der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg (Dr. A.Merkel) eher niedere Beweggründe, die man nicht ohne Weiteres als entscheidendes Argument unterstellen möchte.
Doch ob es beispielsweise darum geht, den bestehenden betrieblichen Gesundheitsschutz zu ergänzen oder auf eine neue Säule zu stellen, oder ob es darum geht, neue Beschäftigungsverhältnisse in bestimmten Bereichen vom Impfstatus abhängig zu machen (was für kurzfristig beschäftigte Filmschaffende besonders von Interesse ist), lassen die Verbände zumindest in der Öffentlichkeit gänzlich offen. Für jeden solcher Fälle wären gesondert gute Gründe von jeweils überwiegendem Interesse geltend zu machen. Dies ist bisher weitgehend unterblieben. Das sind schlechte Voraussetzungen für einen politisch tragfähigen und womöglich dauerhafteren Konsens.
Die Gewerkschaften GEW und DGB stehen den Änderungen in der datenschutzrechtlichen Behandlung von Gesundheitsdaten weiterhin ablehnend gegenüber.

Politische rote Teppiche mit Scheinwerfern sind in Wahlkampfzeiten deutlich ungünstige Rahmenbedingungen für die Weiterführung der bisherigen partnerschaftlichen Praxis pragmatischer Lösungen in der Bekämpfung der unterschiedlichen Pandemie–Risiken.

Die konsolidierte, vollständig aktualisierte Fassung der Corona-ArbschV findet sich auf www.gesetze-im-internet-de .