Virtuelle Studio Produktion

Virtuelle LED Stages setzen neue Standards

Während die Nutzung von LED Wänden als Bühnen-Hintersetzer im Event Bereich bereits seit einigen Jahren nichts ganz Ungewöhnliches mehr ist, sind sie in der Filmbranche erst seit der Produktion The Mandalorian der Disney Studios in aller Munde.

In komplexeren Studio-Kulissen mag für klar abgesetzte Hintergründe nach wie vor der klassische Fotodruck-Hintersetzer die richtige Wahl sein. Und in Innen- wie Außenmotiven sind Green Screens für virtuelle Set Erweiterungen sinnvoll nutzbar. Doch die mit neuester Gaming-3D-rendering Technik betriebenen LED Hintersetzer erlauben die Projektion von vorproduzierten 3-dimensionalen Hintergründen und Set-Erweiterungen, die eine weit reichende Interaktion mit diesen “digitalen Assets” erlauben. Diese Assets sind entweder virtuell erschaffene oder On Location abgelichtete und gescante Räume oder Umgebungen.

Für diese Zwecke reicht eine einfache LED Wand natürlich nicht aus. Der komplexe Workflow basiert – nach aktuellem Standard – auf einer Kombination von 2.6mm Pixel LED Panels mit 10bit Farbtiefe, die bis zu 360 Grad Blickrichtungen und zumindest Teile der Studio-Decke umfassen,  welche von Unreal Grafik Engines angesteuert werden und in die 3D-Bild-Berechnungen auch die Kamera-Bewegungen live mittels Motion Capturing einbeziehen.

Verschmelzung von Set-Beleuchtung und virtuellem Set

Der kreative Mehrwert dieser Technik ergibt sich aus den flexiblen Inszenierungsmöglichkeiten in Verbindung mit der weitreichenden Verschmelzung der Set-Beleuchtung mit der virtuellen Bildgebung. Passende Hintergrund- und Licht-Reflektionen auf glatten Flächen im Vorder- und Mittelgrund sind hier Normalität, oder sie können digital mitkomponiert werden. Und während Foto-Hintersetzer und auch VFX Green Screens aufwendig ausgeleuchtet werden müssen, verringert sich in LED-stages sogar die Vordergrund-Lichtsetzung, denn sie wird in Teilen durch die LED-Wände übernommen oder durch “mobile” LED-Panels ergänzt. Diese lassen sich so programmieren, dass sie – sobald sie sich in Off-Camera-Bereichen befinden – primär der Beleuchtung in der benötigten Lichtstimmung dienen, aber auch zeitliche Lichtverläufe abliefern können. Als Richtschnur lässt sich sagen: Im Zusammenhang mit starken Licht-Kontrasten oder in dämmrigem Grundambiente sind eher umfangreichere zusätzliche Licht-Setups notwendig.
Für die meisten VFX-Sets ergibt sich so eine bisher unerreichte Verschmelzung der Inszenierung im Bildvordergrund mit dem Mittel- und Hintergrund in derselben Umgebungs-Stimmung.

Verlagerung der VFX Postproduction

Grundvorausetzung zur effizienten Nutzung der LED stages ist allerdings eine vollständige Umstellung des Workflows zur Umsetzung entsprechender Szenen: Die VFX-Postproduktion wird zur VFX-Preproduktion. Der erforderliche Vorlauf kann – je nach Beschaffenheit des Sets und den Erfordernissen der Inszenierung – durchaus erheblich sein. Je akkurater Inszenierung und Auflösung gescripted oder als Storyboard niedergelegt sind – was sich ja ohnehin bei vielen VFX-lastigen Szenen empfiehlt – desto besser können die Methoden zur Erstellung der digitalen Assets gewählt werden.

Das klassische Bonmot “Let’s fix it in the post” wird für Aufnahmen in virtuellen Räumen nur noch begrenzt funktionieren. Im Gegenteil wird man sich auch den grundlegenden Fragen des Farbraums und der Farbkorrektur umso früher stellen müssen. Mit entsprechender Planung lässt sich auch in diesen digitalen Setups eine Kombination unterschiedlicher Methoden der VFX-Produktion einplanen. So lassen sich etwa auch in einer LED-Projektion Greenscreen-Bereiche definieren, deren Inhalt erst später finalisiert wird. Das nachträgliche Einfügen animierter Assets im Mittel- oder Hintergrund, die auf die physische On-Camera-Inszenierung reagieren, erscheint im Vergleich zu einer Greenscreen Produktion jedoch nicht einfacher.

Ein Plus wird sich durch ein zukünftig wachsendes Angebot an Bibliotheken mit vorfabrizierten virtuellen Sets ergeben, die optional gebucht werden können, ähnlich wie auch Foto-Hintersetzer zum Teil bereits jetzt “recyclet” werden.

Virtuelle LED Stages in Deutschland

Die Krux ist zur Zeit noch, dass es sowohl im VFX-Bereich als auch beim Drehstab an erfahrenem Personal mangelt, welches die jeweiligen Aufwände souverän einschätzen und umsetzen kann. Die bereits existierenden LED-Stages in Deutschland werden bislang hauptsächlich von Werbekunden genutzt, deren Anforderungen im Hinblick auf anspruchsvolle und komplexe Inszenierungen in der Regel nicht mit jenen des fiktionalen Erzählens vergleichbar sind. Daher empfielt es sich, schon bei der Erstellung von Plates & Scans sowie der Produktion der VFX-Assets erfahrenes Personal zumindest beratend von Anfang an mit einzubeziehen, und vor dem Dreh ausreichend Zeit zum Proben & Einleuchten mit Stand-Ins und Schlüsselrequisiten einzuplanen.

Die LED Stages in Deutschland zielen jedenfalls ganz klar auch auf Kundschaft aus den Kino- und Serien-Sparten. Die Bandbreite der bisherigen Anbieter reicht beispielsweise von kleineren 8m x 5m und größeren 35m x 7,5m LED Hintergründen in Mannheim, über 12m x 6m (zzgl. 2 5m x 6m Seitenwände) in Köln, 18m x 4,5m 180 Grad in Hamburg,  hin zu 40m x 5,5m in München. Und in Babelsberg wurde gerade erst die – so heisst es – größte permanente LED-Stage Europas offiziell eingeweiht. Dieses Studio-Setup (man nennt das nun “volume”) soll voraussichtlich ab November 2021 auch dem freien Markt zugänglich sein – sobald Netflix’ “1899” abgedreht ist.

Was für manche – gerade in Pandemiezeiten – die Lösung vieler Probleme bedeuten kann, nämlich die Vermeidung von umfangreichen Reisetätigkeiten, eingeschränkten Drehmöglichkeiten oder auch einfach von unsicheren Wetterbedingungen On Location, stellt sich für andere sicherlich noch als finanzielles und zeitliches Wagnis dar. Oder es liegt schlicht außerhalb der finanziellen Reichweite einer an Improvisationen gewöhnten Produktions-Branche.
Doch es ist damit zu rechnen, dass sich innerhalb der nächsten 2 bis 3 Jahre Markt und Technik weiter aufeinander zubewegen werden, auch was die Handhabung und den finanziellen Gesamtaufwand betrifft.
Betreiber und Investoren scheinen jedenfalls optimistisch in die Zukunft zu blicken. Und die fiktionale Filmwelt wartet gespannt auf Erfahrungsberichte aus ihrer Mitte.