Green Film Production – Nachlese zum BvP-Panel “Status Quo & Perspektiven”

“Green Film Production – Status Quo und Perspektiven”

…so lautete der Titel der Panel-Diskussion, zu welcher der Bundesverband Produktion Film und Fernsehen e.V. am 20.März 2021 eingeladen hatte.

In der “kleinen Novelle” des Filmförderungsgesetzes (FFG), deren Entwurf dem Bundestag vorgelegt wurde, werden Nachhaltigkeitsmaßnahmen zur Voraussetzung für Fördermaßnahmen der von der FFA verwalteten Filmfördermitteln des Bundes. Das gleiche gilt bereits seit dem Vorjahr für den verpflichtenden “Grünen Filmpass” der Filmförderung der FFHSH.
Die Film Commissions der Länder betreiben in Kooperation mit den verschiedenen Branchen- und Berufsverbänden aktiv die Schärfung des Bewusstseins von Filmschaffenden der unterschiedlichsten Gewerke für die nachhaltigere Filmproduktion und die in Rede stehenden Lösungsansätze.

Ist dies der große Durchbruch auf dem Weg zu einer nachhaltigen Filmproduktion?

Irgendwie ja, so lässt sich die Diskussion der Panel-Teilnehmer vom 20.März sicherlich zusammenfassen, irgendwie aber auch nicht.

Geschätzte 10 bis 20% der Filmproduktionen in Deutschland werden bereits unter Anwendung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen durchgeführt, und diese Zahl wird nun durch den steigenden Druck der oben genannten Filmförderungen nicht nur verstetigt, sondern steigen. So lautet die vorsichtige Einschätzung von Maximilian Höhnle, Gründungsmitglied des Bundesverband Green Film & TV Consultants e.V., welcher inzwischen offiziell aus der Taufe gehoben wurde (wir berichteten), und der den Wertewandel der Film- und TV-Branche hin zu einer klimafreundlichen, fairen und ressourcenschonenden Produktionsweise umfassend und fachlich unterstützen will.

Lernen aus der Corona-Krise

Für diesen Wertewandel gilt in vielen Punkten dasselbe, was bei der Anpassung der Tätigkeiten an die Erfordernisse der Corona-Pandemie galt.
Er betrifft an allererster Stelle die Kommunikation. Die Filmschaffenden sind ein Spiegel unserer Gesellschaft, und alle müssen dort abgeholt werden, wo sie mit ihrer persönlichen Agenda stehen. Man kann nicht selbstverständlich voraussetzen, dass Filmschaffende ohne weiteres, also ohne Anleitung und ohne Anreize ihre Tätigkeit nachhaltiger ausrichten, wenn sie dies in ihrem Privatleben noch nicht in ausreichendem Maße für nötig oder möglich betrachteten, sowie erproben und einüben konnten. Dies betont die Koordinatorin für Nachhaltigkeit bei Sony Pictures, Maria Spisic, und verweist auf entsprechende Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit, und auch aus der Zusammenarbeit in der Filmschaffenden-Initiative “WirSind1Team”, deren Thema die hygienesichere Gestaltung von Tätigkeiten der Filmgewerke, sowie der nötige organisatorische Überbau war – also eine krisen-induzierte Transformation des Gesundheitsschutzes am Film-Arbeitsplatz.

Auch die Film Commissionerin Christiane Krone-Raab bestätigt, dass bereits viele sehr konkrete Ansätze zur nachhaltigen Ausrichtung in den Filmschaffenden-Gewerken diskutiert, verfeinert und ausgearbeitet werden. Der Austausch über diese Ansätze im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Keen to be Green” verfolgt dabei mehrere Ansätze: Zum Einen eben, dieses Wissen unter Filmschaffenden bekannt zu machen, sowie die Vernetzung von Initiativen und Einzelakteuren untereinander zu befördern, auch unter Hinzuziehung externer Fachleute und Dienstleister, welche wiederum ihre Ansätze vorstellen können und Input mitnehmen sollen.

Auch wenn wahrscheinlich kein unmittelbarer und schneller Umbruch zu erwarten ist (wie auch, wenn in unserer Branche das Fehlen des Mutes zu “großen Würfen” in vielerlei Zusammenhängen schmerzlich festzustellen ist), so ist dieser Umbruch dennoch ebenso unvermeidlich wie die Hygienekonzepte im Angesicht der Pandemie.
Der Produktionsleiter Sebastian Neitsch skizziert anhand von Wirtschaftsdaten die Rolle der Filmwirtschaft und hier der Filmproduktion innerhalb der Rahmensetzung des Klimaschutzplans der Bundesrepublik Deutschland. Die Umsetzung des Klimaschutzplans bis 2030 bedeutet demnach für die Filmproduktion eine geschätzte Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen um rund ein Drittel auf rund 420.000 Tonnen CO2-Äquivalente.

Branchen-Klimaschutzplan 2030

Der Klimaschutzplan der Bundesregierung beschreibt klar eine Modernisierungsstrategie für die notwendige Transformation zum kohlenstoffarmen Wirtschaften in Deutschland, unter Berücksichtigung von sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen bei der Gestaltung dieser Transformation. Im Zentrum des Übergangs stehen hierbei Einsparungen von Treibhausgasemissionen durch Steigerungen der Energieeffizienz, wobei dies dauerhaft mit nachhaltiger Ressourcennutzung und Ressourcenschutz Hand in Hand gehen muss.
Das Ziel für unsere Branche ist jedoch nicht zu erreichen, wenn man nun noch ein paar weitere Jahre auf Entwicklungen im Mobilitätssektor wartet, und auf einen Generationswechsel bei den Leih-Generatoren, und wenn man nicht hier und heute alle Akteure auf das Klimaziel einschwört.
Ein solches Vorgehen würde den Glauben an den “großen Wurf” ausdrücken – und hier ist wie gesagt Skepsis angeraten.
Stattdessen muß sich das Mindset der Branche “vom Machbaren zum Nötigen” ändern – so wurde es in einer “Keen to be Green”-Veranstaltung von einem Regisseur klar formuliert. Nur so kann ein Klimaschutz-Plan der kleinen Schritte funktionieren. Oder wie es die Green Consultants konkretisieren: Jedes Jahr 5% weniger Emissionen sind ein gangbarer Weg zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2030.

Ein runder Tisch zur Einbindung der Branchenteilnehmer existiert bereits, berichtet Christiane Dopp von der Film Commission Hamburg/Schleswig-Holstein. Es ist der Arbeitskreis Green Shooting, in welchem Verbände, Filmförderungen, Sender und Produzenten vertreten sind, und in welchem die nächsten Schritte erörtert werden. Vielleicht wäre es auch diesem runden Tisch dienlich, den Input entsprechender Fach-Initiativen der Filmgewerke stärker einzubinden, so wie es bei der Erstellung des Corona-Branchenstandards im Vorjahr der Fall war?

Zu diesen nächsten Schritten gehört auch, dass für die Filmbranche die politischen und gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um im Wirtschaftssektor Kultur und Medien der Nachhaltigkeit die nötige Wertigkeit im Zusammenspiel mit der klassischen kaufmännischen Maxime der sparsamen Wirtschaftsführung zu geben (siehe zum Beispiel auch: “Öffentlich-rechtlicher Auftrag umfasst auch Nachhaltigkeit”), wozu eben nicht nur Film- und Kulturfördergesetze gehören, sondern auch Rundfunk- und Medienstaatsverträge.
Dies ist die Voraussetzung für die nötige Incentivierung der Anwendung von Nachhaltigkeits-Instrumenten, wofür die FFHSH zum Beispiel die Referenzmittel-Förderung einsetzt. Doch man ahnt, dass der Weg über die klassischen projektgebundenen Filmförderungs-Instrumente zur Bereitstellung der nötigen Anschubfinanzierung in einer chronisch prekären Filmproduktionsbranche nicht hinreichend sind. Und dies nicht nur, weil ein erheblicher Teil der Filmproduktion außerhalb des öffentlichen Förderungssystems stattfindet.

Auch wenn die nachhaltige Filmproduktion am Ende des Tages Sparpotentiale in sich birgt oder sich gar selbst trägt: Der Transformationsprozess selbst bedarf eines Mehraufwands an struktureller Arbeit, Investitionen, Weiterbildung, Unterweisung und Zeit, eben nicht nur auf der Ebene einzelner Filmprojekte.
Dies hat seinen Preis und es bedarf der Investitionsbereitschaft.
An dieser Stelle haben die Branchenakteure wahrlich ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Wer Investitionen und auch Förderungen erschließen will, muss sich einen verbindlichen Rahmen geben (Beispiel: ZDF-Entsprechens-Erklärung), also einen Compliance-Kodex. Und die Bereitschaft hierzu ist in der freien Filmwirtschaft als sehr gering einzustufen – auch unabhängig von der Frage des ökologischen Fußabdrucks.
Und es ist der Nachweis für den nachhaltigen Einsatz von Mitteln zu erbringen, was den Vergleich mit herkömmlichen Angeboten einschließt. Es ist also Vergleichbarkeit, transparente Darstellbarkeit und Belegbarkeit erforderlich – also ein verifizierbarer oder gar zertifizierbarer Umsetzungsrahmen.

Rund 300 Unternehmen erwirtschaften in der Filmproduktion rund 88% des Branchenumsatzes, und unter diesen sind es gut 20 Unternehmen, welche 44% umsetzen. Die bisherigen Selbstverpflichtungs-Erklärungen von Produktions-Unternehmen haben wie gesagt zu vorsichtig geschätzter 10-20% nachhaltiger Produktion geführt, und dies ist wie gesagt nicht klein zu reden.
Aber: Der Klimaschutzplan ist damit nicht zu erfüllen.
Es wird also Zeit, die Arbeit der nächsten 10 Jahre auf eine neue Grundlage zu stellen. Dass hierbei die umsatzstärksten Unternehmen ebenso ihren Einfluss und ihre Gestaltungsmacht einsetzen sollten, wie sie es bei Förderrichtlinien, Tarif-, Vergütungs-, sowie Urheber- und Verwertungsrechts-Verhandlungen zu tun gewohnt sind, ist sicherlich keine vermessene Erwartung.
Doch den Beweis, dass die Selbstverpflichtung zu “100 Grünen Produktionen” retrospektiv nicht als reines Green-Washing unserer Branche zu werten ist, wird man noch antreten müssen.

Auch ein Blick auf das europäische Ausland lohnt sich: Der Impuls für die Nachhaltigkeitsinitiative der FFHSH im Jahr 2011 entstand im europäischen Netzwerk der Film Commissions, berichtete Christiane Dopp, und in vielen Ländern ist seitdem dieselbe dynamische Entwicklung in Gang gesetzt worden, wie bei uns. Und wenn manche Rahmensetzungen in einigen Ländern aufgrund zentraler Governance-Strukturen derzeit weiter gediehen wirken als bei uns (wie z.B. in UK und Frankreich), so gibt es doch auch gute Sach-Argumente für eine regionale oder föderale Verankerung von Maßnahmen, wie es derzeit in Deutschland oder in Italien zu beobachten ist.

Der Baukasten zur nachhaltigen Filmproduktion

Die Schlüssel-Themen zur nachhaltigen Transformation unserer Branche liegen auf dem Tisch:

  • Zertifizierte Nachhaltigkeitspläne (z.B. “Grüner Filmpass”)
  • Nachhaltigkeitsmanagement (Zertifizierte Green Consultants & geschulte Nachhaltigkeits-Assistenten und weitere Team-Positionen)
  • CO2-Bilanzierung (z.B.: CO2-Rechner der MFG in aktualisierter Fassung ab 2022)
  • Ein Nachhaltigkeits-Kodex der führenden Produktions-Unternehmen
  • Einbindung der Berufsverbände in die Entwicklung von fachbezogenen Best Practice Guidelines und Informations-Pools
  • Nachhaltigkeitsverpflichtungen für die Verwendung vergemeinschafteter Mittel, wie Fördermittel und Mittel aus Rundfunkbeiträgen bei der Finanzierung
  • Incentivierung von Nachhaltigkeits-Management durch Filmförderungen und auftraggebende Sender
  • Finanzierungs-Sicherung von nachweislichen Mehrkosten im Laufe des Transformationsprozesses.
  • Anschubförderung zur Entwicklung und Markteinführung von Maßnahmen und Technologien ergänzend zur Projektfilmförderung
  • Schaffung einer Projekt-Struktur für die Transformation – zur Unterstützung, Steuerung, Evaluierung und Einbettung der Transformation in der Filmproduktion in eine Nachhaltigkeitsstrategie der gesamten Wertschöpfungskette

Auf dem vor uns liegenden Weg werden wir gut daran tun, die funktionierenden Partnerschaften zur Bewältigung der Corona-Branchenkrise als Beispiel zu nehmen, daraus zu lernen, und diese Partnerschaften zu stärken und weiter zu entwickeln.
Denn es geht wieder um einen Krisenplan. Bei der Pandemie ging es um ein unmittelbar wirksames Ergebnis zum Überleben der Branche. Bei der Klimakrise geht es um das Erzielen mittelbarer, also nachhaltiger Effekte, um die Grundlagen unserer Arbeit abzusichern.
Daher müssen auch die heißen Eisen und heiklen Punkte – insbesondere im Hinblick auf die Transformations-Kosten und die untrennbar verbundene soziale Nachhaltigkeit – mit in den Fokus genommen werden.
Die Grundparameter liegen auf dem Tisch, ähnlich wie das Covid-Hygienekonzept als Branchenstandard im Vorjahr durch das Zusammenwirken mehrerer Akteure sehr schnell auf dem Tisch lag. Diese Grundlagen gilt es nun zu unterfüttern und in gemeinsamer Verantwortung für die Branche umzusetzen.

Die Aufzeichnung der Panel-Diskussion steht registrierten Interessenten & Mitgliedern des BvP  hier zur Ansicht zur Verfügung.