Bundesweites Green Motion Label aus der Taufe gehoben

Green Motion Label – Mindeststandards für die TV- und Filmproduktion

In Deutschland arbeiten zur Zeit zwei Gremien federführend an der Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsstandards der Filmwirtschaft, der Arbeitskreis Green Shooting und auch die Filmförderungsanstalt (FFA). Die FFA führt derzeit noch eine eigene Evaluierung von ökologischen Mindestanforderungen sowie von Anforderungen an ein mögliches ökologisches Qualitätssiegel durch. Dies ist der kleinen Novelle des Filmförderungsgesetzes (FFG) geschuldet, welches ab Anfang 2022 Nachhaltigkeitsmaßnahmen zur Fördervoraussetzung macht. Der Aufsichtsrat der FFA hat demgemäß ein Gremium damit beauftragt, die Grundlagen für entsprechende Richtlinien zu schaffen, deren Ergebnisse jedoch unbestätigten Berichten zufolge erst Mitte 2022 erwartet werden.

Der Arbeitskreis Green Shooting unter Federführung der MFG Baden-Württemberg ist da schon weiter. Unter Einbeziehung der Evaluations-Ergebnisse zu ihrer Nachhaltigkeits-Initiative “100 grüne Produktionen”, die bereits 2020 und 2021 ausgewertet wurden, erstellte man nun ökologische Mindeststandards in 15 Bereichen, die zukünftig – unterteilt in Muss- und in Soll-Vorgaben – durchzuarbeiten sind.
Bei 3 von 21 Vorgaben würde erstmal ein Auge zugedrückt werden, sollten sie nicht umgesetzt oder erreicht werden.
Und damit ist der Rahmen für die lange erwartete bundesweite Version des Grünen Filmpasses gesteckt – das Green Motion Label wird in Zukunft bei den Partnern des Labels verpflichtend.

Keine Vorgaben für die Phase der Film-Finanzierung

Irritierend ist, dass der zeitgleich mit Fördereinreichungen zu erstellende CO2-Referenzwert einer Filmproduktion dazu führen wird, dass der gesamte Finanzierungsprozess inklusive aller Planänderungen und Anpassungen bis zur geschlossenen Finanzierung in die CO2-Bilanz mit einfliessen wird.
Die Warnungen und Einwände des BvP hinsichtlich der Einbeziehung dieser volatilen Phase einer Filmproduktion in die CO2-Bilanzierung, die wir bereits zur Berlinale 2020 dem AK Green Shooting vorstellten, werden hier noch nicht berücksichtigt. Es fehlen nach wie vor Maßnahmen (als Muss oder zumindest als Soll), welche passgenau diesen Abschnitt jeder Produktion nachhaltiger gestalten würden. Eine Bilanzierung ist daher nur für die physische Produktion möglich, Und daran müsste auch die Referenz-Erfassung von CO2-Werten ausgerichtet sein. Ebenso wie für die wirtschaftliche Bilanz eine verbindliche Real-Kalkulation als Referenz dient, die naturgemäß erst vor Drehbeginn einzureichen ist, sollte es auch für eine solide CO2-Bilanz ermöglicht werden.
Anders könnte man es sehen, wenn es den Strategen im Arbeitskreis gelungen wäre, alle Filmförderer (als aktiv an dieser Produktionsphase Beteiligte) mit auf diesen Weg zu nehmen und bereits Nachhaltigkeitsmaßnahmen für die Projektentwicklung und Finanzierungsphase mit bilanzieren zu wollen. Doch leider ist festzustellen, dass die in Branchenkreisen bereits diskutierte Umstrukturierung der Regionalförderungen zur Vermeidung von umweltschädlichen, förderungsbedingten Reiseproduktionen im Endeffekt weiterhin unangetastet bleibt. Und dass die jetzige Referenz-CO2-Erfassung als einziger Nachhaltigkeits-Punkt, welcher von Produzenten nicht an das Projektpersonal in den Produktionsbüros ausgelagert werden kann, nur “vereinfacht” zu erfolgen hat, wundert ebenso. Einige große Filmförderungen sehen sich nicht in der Pflicht zur Ermöglichung der initialen Rahmenbedingungen, und in den Firmenzentralen vieler Produzenten ist die sachkundige Vertiefung von ESG-Themen scheinbar ebenfalls nicht gefragt.
Das sind nach mehrjährigen Bemühungen leider zwei sehr unglückliche Signale zum Auftakt eines neuen Abschnitts nachhaltiger Filmproduktion in Deutschland. Die Botschaft ist: Der Zug ist auf der Schiene, jetzt ist es an Euch an den Sets und in den Ateliers, es für uns mit rauszureissen. Und schlimmer noch: Nachhaltigkeit wird am Standort Deutschland immer noch als Wettbewerbsnachteil und nicht als Voraussetzung für die Zukunft der Branche gesehen.
Hier sind noch Hausaufgaben offen, bei welchen die Branche nicht umhinkommen wird, diesen einen zielführenderen Stellenwert zu geben.

Wir bedauern dies sehr, umso mehr als wir die Strategie des Arbeitskreis Green Shooting und auch die jetzigen Bemühungen der FFA um den nötigen Transformationsprozess der Branche sehr begrüßen, und wir sehr wohl die Botschaft vernehmen, dass die Nachhaltigkeits-Initiativen eigentlich nicht nur auf die kurze Phase der physischen Produktion zielen.
Wir hoffen daher sehr und werden unseren Teil dazu beitragen, dass die bei einigen Akteuren sehr eigenwillig interpretierte Resilienz bei Veränderungen nun durch die Filmschaffenden und durch unsere Dienstleistungs-Partner dennoch in ein “Jetzt erst recht!” umgemünzt und kompensiert werden kann.

Konkrete Maßnahmen als Mindeststandard

Es geht nun also sehr konkret zur Sache. Eine Einführung und Übersicht zu den 15 Bereichen mit einer Darstellung der jeweiligen Muss- und Soll-Vorgaben steht unten als Download in Form einer PDF-Broschüre des Arbeitskreis Green Shooting zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Label, zu den beteiligten Firmen und Institutionen, und zum Arbeitskreis Green Shooting auf der Website Green Motion.

Von vielen dieser Maßnahmen hörten interessierte Zuhörer bereits in den vergangenen Monaten in diversen Info-Veranstaltungen wie zum Beispiel jenen der Initiative “Keen to be Green” von den German Film Commissions, welche auch der BvP unterstützt. In dieser Veranstaltungsreihe wurden diverse praktische Hands-On Lösungen vorgestellt, aber auch etwas über den Tellerrand unserer Branche hinausgeblickt, sowie auch Bereiche mit bisher unzureichendem Zugriff behandelt.

“Keen to be Green” – Grünes Filmen in der Praxis

Am 17.November um 18:00 Uhr wird die Online-Veranstaltungsreihe “Keen to be Green” folgerichtig fortgesetzt – diesmal mit dem geballten praktischen Input jener Experten, welche den Produktionen und den Filmschaffenden künftig zur Seite stehen werden, und uns dabei anleiten, an welchen Stellen die Maßnahmen zur Nachhaltigkeit konkret und fallbezogen am Besten in das eigene Projekt zu integrieren ist – den Green Consultants. (Zur Anmeldung über die Veranstaltungs-Seite).
Eine weitere Ausgabe am 15.Dezember 2021 mit dem Thema “Nachhaltigkeitsstrategien der Sender und Streamingdienste” ist in Planung. Näheres dazu im Veranstaltungskalender der BvP-Website.