Neue Fördermöglichkeiten für Aus- und Weiterbildung ab April 2024

Ein neues Gesetz sieht die Reform der Weiterbildungsförderung, eine sogenannte Ausbildungsgarantie und ein Qualifizierungsgeld vor
Bereits am 7. Juli 2023 stimmte der Bundesrat dem “Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung” zu, welches zum Ziel hat, die berufliche und arbeitsmarktorientierte Aus- und Weiterbildung angesichts der beschleunigten Transformation der Arbeitswelt zu erweitern und zu ergänzen. Die bestehende Beschäftigtenförderung wurde verbessert, eine sogenannte Ausbildungsgarantie eingeführt, sowie ein Qualifizierungsgeld. Das Gros der Änderungen tritt ab April 2024 in Kraft.
Profitiert die Filmbranche von diesen Fördermöglichkeiten?
Für befristet auf Projektdauer angestellte Filmschaffende – und damit für das Rückgrat der freien Film- und TV-Produktionslandschaft – ändert sich durch das neue Gesetz prinzipiell nicht viel, solange ihre branchentypischen Tätigkeiten außerhalb des staatlichen Berufsbildungssystems liegen. Die gute Nachricht ist, dass dieses Problem seit vorigem Jahr verstärkt im Fokus von Branchenbemühungen steht. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass die Einführung einer Grundausbildung für Filmschaffende einen mehrjährigen Prozess und viele Hausaufgaben, Transparenz, und politische Überzeugunsarbeit mit ungewissem Ausgang erfordert. Dasselbe gilt im Prinzip für qualifizierte Weiterbildungs-Abschlüsse.
Darüber hinaus gilt, dass das Berufsbildungssystem mit staatlich anerkannten Abschlüssen dual basiert ist oder einen Hochschulbesuch erfordert. Es ist nicht zugeschnitten auf den erheblichen Anteil von befristet Beschäftigten der Arbeitswelt (Schätzungen gehen von 1 Mio. befristet Beschäftigten aus) und am wenigsten auf kurzfristig Beschäftigte – früher “Tagelöhner” genannt -, wie zum Beispiel der überwiegende Teil von Filmschaffenden der freien Filmproduktionswirtschaft.
Was sieht das neue Gesetz vor?
Bei der Ausbildungsgarantie handelt es sich nicht um einen Rechtsanspruch, sondern um eine verstärkte Unterstützung junger Menschen bei der beruflichen Orientierung und der Aufnahme einer Berufsausbildung, sowie die Förderung berufsorientierter Kurpraktika in Betrieben und ein Mobilitätszuschuss, mit welchem im ersten Ausbildungsjahr zwei Familienheimfahrten pro Monat finanziert werden können. Die außerbetriebliche Ausbildung soll erweitert werden, sodass mehr junge Menschen auch ohne regulären Ausbildungsplatz entsprechende Perspektiven bekommen. Laut Gesetz soll diese “ultima ratio” bleiben – der Fokus liegt weiterhin auf betrieblichen Ausbildungen.

Das an das Kurzarbeitergeld angelehnte Qualifizierungsgeld ergänzt die bisherige Weiterbildungsförderung für Beschäftigte. Das Qualifizierungsgeld bietet laut Agentur für Arbeit eine Perspektive für Beschäftigte in Branchen, die vom Strukturwandel betroffen sind. Es unterstützt die Betriebe gezielt bei der Fachkräftesicherung. Das Qualifizierungsgeld ist eine Entgeltersatzleistung in Höhe von 60 (beziehungsweise 67) Prozent des bisherigen Nettoentgeltes. Die Beschäftigten werden im Umfang der Weiterbildungsmaßnahme freigestellt und erhalten die Förderung als Lohnersatz.

Das neue Gesetz soll darüber hinaus die aktuelle Weiterbildungsförderung für Beschäftigte vereinfachen. Unter anderem soll die Transparenz der Förderung durch feste Fördersätze je nach Betriebsgröße und weniger Förderkombinationen erhöht werden. Da Weiterbildungsbedarf in nahezu allen Wirtschaftsbereichen besteht, soll bei der Weiterbildungsförderung künftig auf die Voraussetzung einer Betroffenheit der Tätigkeit vom Strukturwandel oder einer Weiterbildung in einem Engpassberuf verzichtet werden. Betriebe mit unter 50 Beschäftigten müssen sich künftig nicht mehr an Lehrgangskosten geförderter Weiterbildungen beteiligen – bisher lag die Grenze bei 10 Beschäftigten.
Noch bis zum 31. Juli 2024 werden bei Weiterbildungen während einer Phase der Kurzarbeit dem Betrieb mindestens 50% der Sozialversicherungsbeiträge erstattet, ebenso wie – abhängig von der Betriebsgröße – die Lehrgangskosten, ganz oder teilweise. Das Recht auf bezahlte Bildungszeit nach österreichischem Vorbild wird hingegen, entgegen der Intention des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), nicht eingeführt. Nach Vorstellung des amtierenden Arbeitsministers Hubertus Heil hätten Beschäftigte sich ein Jahr bezahlt weiterbilden können.
Wie könnte eine Lösung für die strukturelle Benachteilgung befristet Beschäftiger in der Berufsbildung aussehen?
Die eine Lösung wird es nicht geben. Das wichtigste Strukturproblem dürfte sein, berufliche Bildung in einer Weise zu flexibilisieren, dass sie für Arbeitskräfte, welche sich jederzeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung halten müssen, sowohl zeitlich als auch finanziell überhaupt in Reichweite kommen.
Für die zeitliche Flexibilität stehen hier die Studienangebot vieler Fernhochschulen Pate, welche die Anpassung der Lernziele und -methoden an die individuelle berufliche Eingebundenheit der Studierenden in den Mittelpunkt ihrer Angebote stellen.
Wenn hingegen das Ziel lebenslangen Lernens jenen vorbehalten ist, deren Arbeitgeber ein vitales Interesse an Investitionen in die berufliche Weiterbildung ihrer Beschäftigten haben dürfen – also den unbefristet Beschäftigten, dann ist in der Tat ein Systemwechsel notwendig. Es ist schwer einzusehen, dass nicht jeder Beschäftigte ein Zugang zu beruflicher Bildung gemessen an ihrer erbrachten Arbeitsleistung erhält und damit Branchen mit überwiegend befristet Beschäftigten sich von den geltenden Normen der staatlich geförderten Berufsbildung mit zeitlicher Fortdauer zunehmend entfernen müssen, wenn keine überproportionalen Eigeninvestitionen getätigt werden.
Im europäischen Ausland scheint es Lösungsansätze für dieses strukturelle Grundproblem bestimmter Branchen zu geben. Ob diese Lösungen auf Deutschland übertragbar sind, ist nicht nur eine politische oder rechtliche Frage, sondern auch eine inhaltliche. Dies zu Durchdringen und Umzusetzen erfordert vermutlich eine Denkweise, wie sie der Filmbranche besonders schwer fällt. Nämlich eine offene Lösungsorientiertheit, die über die eigene Überspezialisierung hinausweist und in gewissen Grenzen übertragbar ist.
Dass es gerade die Übertragbarkeit von Wissen ist, welche der Branche zuletzt recht augenfällig abhanden kommt, stimmt im Hinblick auf baldige Lösungen leider nicht gerade optimistisch.
Angesichts von unter 400 anerkannten Ausbildungberufen in Deutschland wäre die Annahme, dass man für alle grundlegenden Tätigkeitsfelder in der Filmproduktion eigene, passgenaue Ausbildungswege staatlich anerkennen lassen kann, irreführend. Der wichtigste Schritt liegt also in einer fundierten Grundausbildung. Die Filmbranche muss in diesem Kontext als überspezialisiert gelten. Diese Erkenntnis setzt sich nur im Hinblick auf die Hürden und mangelnde Durchlässigkeit für Brancheneinsteiger durch,  jedoch noch nicht im Hinblick auf die Durchlässigkeit für Berufswechsler und Branchenaussteiger.
Nicht nur die Arbeitgeberverbände sondern auch die Berufsverbände der Branche tendieren dazu, Gedanken von beruflicher Durchlässigkeit einem besitzstandwahrenden Eigeninteresse weitgehend unterzuordnen. Dies erweist sich als zusätzliches Hemmnis eines entwickungsfähigen Personalwesens in der kleingliedrigen Branche.
Bildungspolitsche Weichenstellungen in der Branche drohen weiterhin auf der Strecke zu bleiben
Ohne sachlichen Weitblick und ohne den Blick über den eigenen Tellerrand sowie die Bündelung und die Verfügbarmachung der Ergebnisse eigener Bemühungen und Learnings, sowie ohne die Nutzbarmachung volkswirtschaftlichem Know-Hows für die Personalentwicklung wird die Filmbranche angesichts des demografischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft wenig Chancen haben, die erhofften Produktionsziele des Filmstandorts Deutschland zu erhalten.
Der Status Quo ist, dass selbst die kleinen, nötigen und möglichen Weichenstellungen kaum zur Diskussion stehen. Qualifizierung spielt bei den Tarifpartnern nach wie vor kaum eine Rolle, noch nicht einmal in der bloßen Einpreisung in die Vergütungs-Systematik, geschweige denn in Form von Bildungspauschalen. Und die nötige systematische und sachgerechte Verankerung der Förderung von “anerkannter Aus- UND Weiterbildung” (!) im neuen FFG und deren Anerkennung als Investition im Sinne des Investitionsverpflichtungsgesetzes wäre der erste, allgemeine Schritt, denn Änderungen im übergeordneten Rahmen müssen zukünftig ihre Ankerpunkte in den branchennahen Regulariern finden.
Qualifizierung für zukünftige Qualitätsansprüche droht dieser Tage im politischen Streit um das vermeintlich große Ganze der Tarifverhandlungen und der neuen Filmförderung erneut hintenüber zu fallen, und müsste in diesem Falle zu einem späteren Zeitpunkt erneut auf die politische Agenda gehoben werden. Dabei ginge es zum Beispiel im Falle des InvestVG lediglich um das Einfügen der Worte “[…] und Weiterbildungs[…]” in §5 Absatz 1 Ziffer 6, um der Bedeutung beruflicher Qualifizierung jenseits einer Erstausbildung für “anerkannte” Bildungsstandards sowie den mittelfristigen Bedarfen der Arbeitgeber und -nehmer überhaupt gerecht werden zu können.