Erhebung zur Auftragslage der Filmschaffenden

Der Weiterbildungsverbund Media Collective sieht den Bedarf, gefühlte Wahrheiten zu beziffern

Entwicklungen in der Filmbranche gelten als überaus dynamisch. Wie dynamisch, das ist jedoch im überaus harten Wettbewerb ein wohl behütetes Geschäftsgeheimnis. Und selbst wenn dieses Geheimnis bisweilen gelüftet wird, solide Erhebungen innerhalb der Branche beziehen sich meist auf jeweils vergangene Geschäftsjahre und entsprächen damit eben nicht jener regelmäßig postulierten hohen Dynamik.

Der Weiterbildungsverbund Media Collective ruft nun zu einer “Blitzumfrage”, um die sich seit Anfang dieses Jahres häufenden und oftmals im vagen verbleibenden Nachrichten zu Auftragsstreichungen für das laufende Kalenderjahr zu beziffern.

Die kollektive Kenntnis der Branche ist gefragt

Die Umfrage selbst ist rasch absolviert – obwohl sie 23 Fragen umfasst. Man sollte jedoch die eigene Beschäftigungsbiographie der Jahre 2022 sowie des laufenden Jahres beziffern können. Denn gefragt sind jeweils die absolvierten Drehtage und die geleisteten Arbeitstage beider Jahre, sowie eine Prognose bis zum Ende dieses Jahres.
Scheinbar “themenfremd”, doch nicht minder relevant und leichter zu beantworten, schließt die Umfrage mit einem zweiten Fragenblock, welcher sich mit der Nutzung von Qualifizierungsangeboten für Filmschaffende befasst.
Positiv vermerkt sei auch: Die Umfrage ist recht transparent. Man sieht sämtliche Fragen auf einen Blick und findet dennoch rasch seinen Einstieg.

Link zur WBV Branchenbefragung Auftragslage

(https://forms.ecampus-epi.de/wbv_branchenbefragung-auftragslage/)

Wir empfehlen ausdrücklich die Teilnahme an der Umfrage – am besten sofort (Deadline: 20. September!!), denn sie bedient den Bedarf nach Datenmaterial zu unserer chronisch unterbeleuchteten Branche, um politische Diskussionen zu erleichtern – auch bei Bewertungen der Frage, in welchem Umfang Transformationsprozesse im gegebenen Marktumfeld in naher Zukunft zu bedienen sind.

Zum Hintergrund der Umfrage

Die Umfrage wird gehostet und durchgeführt vom Erich Pommer Institut (EPI), einem An-Institut der Filmuniversität Babelsberg mit der Rechtsform der gemeinnützigen GmbH (gGmbH). Das EPI ist Träger des Weiterbildungsverbund (WBV) Media Collective, einem in der Region Berlin-Brandenburg beheimateten “partnerschaftlichen Zusammenschluss von Akteuren der Bewegtbildbranche”, mit Fokus auf die Verbesserung von Weiterbildungen in der Branche und der daraus resultierenden Ermöglichung von Chancen für alle Beteiligten. Der BvP ist als Berufsverband und nach langjährigen Kooperationen mit dem Erich Pommer Institut  seit der Gründung des WBV Anfang 2022 mit an Bord.
Der WBV wird durch Mittel des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) finanziert, und agiert trotz seiner primären Ausrichtung als regionaler Cluster bewusst und gezielt auch als “role model” mit bundesweiter Ausstrahlung.

In dieser Rolle gründete der WBV im Februar 2023 den Arbeitskreis Fachkräftestrategie Film und Fernsehen, welcher seitdem in vier Arbeitsgruppen systematische Grundlagenarbeit zur nachhaltigen Stärkung des Personalwesens in der audiovisuellen Filmproduktion leistet. Eine Darstellung vorläufiger Ergebnisse des Arbeitskreises ist mit Ende der befristeten Förderung durch das BMAS im April 2024 zu erwarten. Ausgenommen hiervon dürften die Auswertungsergebnisse der vorliegenden Umfrage sein, für welche ein akuter Bedarf besteht. Wünschenswert wäre aus unserer Sicht dennoch, dass das EPI – gegebenenfalls mit Unterstützung durch die Filmuniversität Babelsberg – diese Auswertung und die dazugehörige Evaluierung der vorliegenden Daten mit der gebotenen Methodik selbst vornimmt, und dies nicht etwa als Aufgabe den Workshop-Terminen des Arbeitskreises überlässt.

Kontraproduktive Öffentlichkeitsarbeit durch Crew United

Warum die Publikation der Umfrage durch die Medienkanäle von Crew United öffentlich mit dem Titel “Nach dem Fachkräftemangel die Auftragsflaute?” suggeriert, dass mit dem Ende des Auftragsbooms der letzten Jahre das Problem des Fachkräftemangels ein Ende genommen haben könnte, ist aus unserer Sicht nicht nur sachlich zu hinterfragen. Leider ist ein plakatives Headline-Format wie dieses dazu geeignet, die Zielgruppe zu Fragen des Fachkräftemangels in die Irre zu führen, und damit dem Ziel des Arbeitskreises, nämlich neue qualitative Impulse für die benötigten Filmberufe bzw. für die Grundstandards des Personalwesens der Branche zu setzen, einen Bärendienst zu erweisen. [Anmerkung der Redaktion: Ein erneuter Aufruf zur Teilnahme an der Umfrage seitens Crew United wurde nach Erscheinen dieses Beitrags mit einem korrigierten Titel veröffentlicht].

Fachkräftemangel versus Personalmangel

Wo liegt das Problem? Die verkürzte Darstellung lautet: Personalmangel meint etwas anderes als Fachkräftemangel, und er ist meist durch kurzfristige Maßnahmen zu beheben. Denn ein Personalmangel wie in den vergangenen Jahren ist zuvorderst ein quantitatives Problem (“viel hilft viel”). Ein Fachkräftemangel hingegen ist ein qualitatives Problem, dessen Auswirkungen weder unmittelbar und sofort sichtbar werden noch kurzfristig wieder verschwinden. Sie werden die Zielgruppe der Umfrage und alle Branchenakteure in den nächsten Jahren noch zunehmend betreffen. Konjunkturlage hin oder her.

Die etwas ausführlichere fachliche Stellungnahme des BvP zu dieser Frage ist den Akteuren der Branche bereits bekannt. Die Zusammenfassung lautet:
Die Ursachen für den derzeitigen Fachkräftemangel sind in der Zeit vor dem jüngsten Produktionsboom zu suchen und zu finden. Die aufgrund des akuten Personalbedarfs des Booms festzustellende punktuell nahezu bedingungslose Besetzung von Stabspositionen mit Personal, welches weniger fundiert qualifiziert ist , als wünschenswert (in der Praxis gerne betitelt als “Karriere-Chance”), bildet wiederum die Grundlage für zukünftige, weitere Erosionseffekte der in der Branche verankerten praktischen Qualifizierungsmechanismen. Die Folgeeffekte werden erst in einigen Jahren spürbar werden, so wie wir heute die Effekte einer seit über 15 Jahren ungebremsten Erosion der Qualifikations-Rahmenbedingungen in der Branche spüren.
Die Grundlagenarbeit des WBV Media Collective, deren Finanzierung bisher nur bis April 2024 gesichert ist, kann also bestenfalls als erster Schritt bezeichnet werden, um dem Fachkräftemangel der Zukunft jetzt zu begegnen. Unmittelbare Effekte dieser Arbeit sind ein willkommenes Nebenprodukt. Doch auch wenn sich mit der Umfrage das Ende des jüngsten Booms bestätigen sollte, und sich daraus ein sinkender Bedarf nach unmittelbaren Effekten in der Nachwuchsarbeit ergibt, bleibt die Entwicklung von neuen Strategien für den Umgang mit dem Fachkräftebedarf der Branche im Wettstreit mit anderen Wirtschaftszweigen bestehen.