Neue Erfordernisse für Dreharbeiten im öffentlichen Raum

Die Sicherung von Arbeitsstätten im Straßenverkehr erfordert zwingend eine zertifizierte Qualifikation von Verantwortlichen

Die bekannte RSA 95 für Sicherungsmaßnahmen von Arbeitsstellen im Bereich öffentlicher und öffentlich zugänglicher Straßenbereiche wurde im Jahr 2022 durch die neue RSA 21 ersetzt. Nach einer mehrmonatigen Übergangszeit werden nun die Straßenbehörden angehalten, die Neuerungen, welche sich durch die RSA 21 ergeben, umzusetzen.

Expertenrunde spricht Empfehlungen aus

Die von der Film Commission Bayern am 10. Januar 2023 einberufene informelle Expertenrunde hat Interpretationsspielräume und Empfehlungen zur Umsetzung erörtert.

Ein wichtiger Punkt ist, dass die RSA-21 eine zwingende Qualifizierung  des verantwortlichen Antragstellers verlangt, also zertifizierte Fachkenntnisse nach MVAS. Weiters werden die Behörden angehalten, die Benennung eines gleichfalls qualifizierten Stellvertreters einzufordern.

Es wurde klar, dass die Kommunen in der Umsetzung der RSA vorhandene Spielräume nutzen und in einzelnen Fällen auch abweichende Regelungen treffen – so legen es jedenfalls bundesweite Beobachtungen der BG BAU nahe.

Auslegungsspielräume kommunaler Behörden

Die Landeshauptstadt München setzt die neue Regelung nun als bundesweit erster großer Filmstandort um. Weitere Standorte und Kommunen dürften im Laufe dieses Jahres folgen.

Im aktuellen “Merkblatt MVAS-Zertifikat” des Münchner Mobilitätsreferats heisst es unter anderem: “Der Antragstellende benötigt kein MVAS-Zertifikat, wenn er die oben genannte verantwortliche Person vor Ort im Antrag für die Arbeitsstelle benennen kann.” Hier ist demnach eine Abweichung von der o.g. Regelung erkennbar. Es scheint zu genügen, dass es eine Person mit MVAS-Zertifikat “vor Ort” gibt. Diese Lesart kann von anderen Kommunen zwar als Präzedenz gesehen werden, sie lässt sich jedoch trotzdem nicht verallgemeinern, und ist daher keine sichere Grundlage für Auswahlstrategien für Personalverantwortliche. Denn: In welchen Kommunen einer Drehregion die Drehorte tatsächlich gefunden werden, ist bei der Besetzung des Stabs meist nicht klar. Und angesichts solcher Spielräume eben auch nicht die tatsächliche Minimal-Erfordernis für die jeweilige Antragstellung.

Verantwortlicher “Vor Ort”

Die BG BAU stellt klar, dass es keinesfalls zwingend erscheint, dass tatsächlich eine zertifizierte Person im wörtlichen Sinne “vor Ort” anwesend sein muss. Dies sei auch bei gewöhnlichen Baustellen regelmäßig nicht der Fall. Der Spielraum in der Interpretation ergibt sich daraus, dass eine verantwortliche Person zwar jederzeit “Zugriff” auf die Arbeitsstelle haben muss, jedoch nicht mehr (wie es in der alten RSA 95 formuliert war) einen “direkten Zugriff”. Daraus folgt: Sobald organisatorisch sichergestellt ist, dass eine für die Verkehrssicherung verantwortliche Person auch aus der Ferne Einfluss nehmen kann, und erst bei akutem Bedarf die Arbeitsstelle persönlich aufsucht, ist dem Zweck der Richtlinie Genüge getan.

Die Verantwortungsfrage

Ebenfalls stellt die BG BAU klar, dass “Verantwortung” nicht bedeutet, dass man für Fehler oder Unfälle, die sich vor Ort ereignen können automatisch haftbar ist. Verantwortung im verkehrsrechtlichen Sinne bezieht sich auf die in der RSA 21 definierte Aufgabe, Gefahren und Abweichungen von in der Anordnung vorgesehenen Maßnahmen abzuhelfen. Erst wenn man keine geeigneten Schritte unternimmt, um dies sicherzustellen, beginnt die Haftbarkeit. Verantwortung bezeichnet also – wie sonst auch – die sorgfältige Durchführung und Überprüfung der zugewiesenen eigenen Aufgaben, die sich im hier besprochenen Fall aus der Richtlinie ergeben.

Die BG BAU tritt hiermit explizit geäußerten Befürchtungen entgegen, dass nun “abwesende” Motivaufnahmeleiter für Geschehnisse am Drehort haftbar gemacht werden.
In diesem Falle ist die Zuweisung der Verantwortung für die verkehrsrechtlichen Maßnahmen durch die RSA-21 geregelt. Einer verantwortlichen Person wird die Pflicht zugewiesen, bei Arbeiten in öffentlich zugänglichen Bereichen, durch die Ergreifung angemessener Maßnahmen Probleme zu beheben. Daraus ergibt sich jedoch automatisch auch das Recht, selbiges zu tun, ohne für die Verursachung der Probleme quasi automatisch haftbar zu sein.
Wer in der Organisationskette die entsprechend verantwortliche Person ist, hat das Unternehmen festzulegen.

Eine grundlegende Pflicht der verantwortlichen Person(en) ist die Sicherstellung einer sachkundigen Überprüfung von verkehrsrechtlichen Maßnahmen – und zwar im Prinzip von der Verkehrszeichenstellung bis zu deren Entfernung. Die BG BAU geht hier von zwei zu veranlassenden Überprüfungen pro Tag aus.
Sie weist darauf hin, dass alleine schon aus Gründen möglicher Personalausfälle (Krankheit oder ähnliches) eine zweite qualifizierte Person im Unternehmen vorhanden sein sollte, wenn man nicht ordnungsrechtliche Konsequenzen befürchten möchte – bis hin zum Entzug von Drehgenehmigungen.

Freiheit zur Gestaltung von Verantwortungsketten

Dem Bundesverband Produktion Film und Fernsehen e.V. ist es wichtig, dass in entsprechenden kommunalen Vorschriften für Dreharbeiten keine feste Zuordnung zu bestimmten Stabspositionen enthalten sein sollte , um weiterhin projektbezogen die arbeitsschutzrechtlich ausgerichteten  Verantwortungsketten in einem Projektstab angemessen gestalten zu können, welche regelmäßig intern mit den Aufgaben zur Verkehrssicherung Hand in Hand gehen. Weiters wäre es nur im Rahmen einer entsprechenden unternehmerischen Entscheidungsfreiheit möglich, organisatorische Erfordernisse auch noch bei verbreitet feststellbaren Mängeln in der beruflichen Handlungsfähigkeit in den Gewerken als Auswirkung des Fachkräftemangels sicherstellen zu können.

Es erscheint dennoch geboten, dass bei Dreharbeiten auch am Drehort selbst eine verkehrsrechtlich qualifizierte Person anwesend ist, um die Erfordernisse der Drehgenehmigung und der damit verbundenen Anordnung mit den Erfordernissen des Drehverlaufs flexibel, angemessen und rechtssicher in Deckung zu bringen. Wir empfehlen daher eine entsprechende Zertifizierung von Setaufnahmeleitern oder Set-AL-Assistenzen. Bei komplexen Drehvorhaben empfiehlt sich sogar, die Minimalerfordernisse der RSA-21 zu übertreffen, indem zum Beispiel vertraglich eine regelmäßige Erneuerung der Qualifizierung vereinbart wird.

Allgemeine fachliche Empfehlung

Die  Film Commission Bayern hat folglich, bezogen auf Dreharbeiten in der Landeshauptstadt München, Hinweise zur Umsetzung der Richtlinie RSA-21 veröffentlicht.

  • Es scheint deutlich, dass Motivaufnahmeleiter:innen (oder die Person, die u.a. diese Rolle erfüllt), die bei der Beantragung der Genehmigungen / Sondernutzungen i.d.R. als „verantwortliche Person“ benannt werden, eine Zertifizierung benötigen. Diese Position verantwortet die aus der Genehmigung ersichtliche, richtige Umsetzung der verkehrsrechtlichen Anordnung während des gesamten Nutzungszeitraumes.
  • In einem gemeinsamen Austausch der Film Commission Bayern mit Vertreter:innen des Bundesverband Produktion, Bundesverband Herstellungs und Produktionsleitung, der Assistant Directors Union und dem RSAReferenten der BG Bau wurde festgestellt, dass es sehr sinnvoll sein dürfte, wenn auch Setaufnahmeleiter:innen (ggf. Regieassistent:innen) ein RSA 21Zertifikat erlangen.
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    Zum einen wäre so eine schnellere, sachkundige Klärung von Fragen am Drehort möglich.
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    Zum anderen würde so eine Drehausfallsicherheit gewährleistet, da (in der Beantragung genannte oder nachgereichte) Stellvertreter:innen ebenfalls zertifiziert sein müssen. Ohne eine Person in der Verantwortungskette, die ein RSA 21Zertifikat besitzt, wäre ein von der Behörde zu ahndender Auflagenverstoß die Folge, der neben dem Entzug der Genehmigung auch haftungsrechtliche Folgen für die Produktion hätte.

Das Merkblatt zur Umsetzung der Richtlinie RSA 21 wurde auf der Website der Film Commission Bayern veröffentlicht.